Seitenhiebe

31.1.06

5,012 Millionen Arbeitslose

Ein Jahr nach Einführung von Hartz IV steht endgültig fest: nichts hat es gebracht. 5,012 Millionen Menschen sind ohne Arbeit. Bisher waren sich die Experten uneins, ob in diesem Winter erneut mit dem Überschreiten der Symbol-Marke zu rechnen sein würde. Nun wissen sie es!

Gekaufte Politik

Das Politik käuflich ist, weiß man nicht erst seit Kohls Schweigen über Millionenspenden und schwarze Kassen der CDU. Auch die Verquickung von Politik und Energieproduzenten ist nicht gerade neu. Nun liegen SPIEGEL TV Videoaufnahmen vor, die Vertreter der Stadt Neuwied (Aufsichtsratsmitglieder der Stadtwerke und Bürgermeister) zeigen. Die amüsieren sich anläßlich einer von E.on gesponserten Reise nach Norwegen hervorragend. Die "Pflege der politischen Landschaften" mit angeblichen Informationsreisen und Bonusmeilen kostet vor allem Verbrauchern und Unternehmen viel Geld. Denn einem guten Freund werden Lieferverträge zugeschanzt und Tariferhöhungen mit leichter Hand bewilligt. Seeliges Geben und Nehmen! Eben die ganz normale Korruption in Deutschland.

30.1.06

Fernsehzwerge

Nach einem Bericht bei Heise soll in Deutschland noch vor der Weltmeisterschaft im Rundledertreten sogenanntes Handy-TV eingeführt werden. Abgesehen davon, dass das zeitlich kaum zu schaffen sein wird und auch Geräte wohl Mangelware sein dürften: wer braucht das überhaupt? Derzeit ist doch eher ein Trend festzustellen, beim fernsehen mit Videobeamer, TFT- und Plasma-Glotzen ein möglichst großes Bild zu geniessen.

Indien wird teuer

SAP plant, seine Entwicklungskapazitäten in China und Osteuropa deutlich auszubauen. SAP will damit auf die steigenden Kosten im bisherigen Billiglohnland Indien reagieren. Der anhaltende Boom der indischen IT-Industrie hat inzwischen dazu geführt, dass Fachkräfte auf dem Subkontinent rar und vor allem teuer werden. Die Universitäten des Landes kommen zudem mit der Ausbildung nicht nach. "Indien wird langsam teuer", sagte Konzernchef Henning Kagermann in einem Interview mit der FTD. Die Arbeitsplatz- Karawane zieht also weiter. Indien war gestern, heute macht man "Offshoring" in Osteuropa und China. Morgen kommt dann vielleicht Südamerika.

29.1.06

BA: Ziel bei jungen Erwachsenen verfehlt

Ein Ziel der rot-grünen Regierung war es, junge Arbeitslose früher aus der Arbeitslosigkeit herauszuholen. 3 Monate sollten sie maximal arbeitslos sein. Dies Ziel wurde nicht nur glatt verfehlt, inzwischen stieg die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit junger Erwachsener im Jahr 2005 von 4,1 auf 4,4 Monate. In 2005 waren nach vorläufigen Berechnungen im Durchschnitt rund 520.000 junge Menschen unter 25 Jahren arbeitslos gemeldet, darunter mehr als die Hälfte 3 Monate und länger. Da die Ergebnisse von 69 Kommunen, die Langzeitarbeitslose in eigener Regie betreuen, nicht berücksichtigt worden sind, liegt die tatsächliche Zahl sicher noch höher.

28.1.06

Schäubles Gruselszenarien

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat laut Spiegel gegenüber der Welt am Sonntag vor Terroranschlägen mit sogenannten schmutzigen Bomben gewarnt. Schäuble soll gesagt haben, dass der Bau von "schmutzigen Bomben" nach Erkenntnissen der Geheimdienste eine realistische Option sei. Nun ist die technische Möglichkeit zum Bau solcher Bomben nicht gerade neu (SWP 2003). Zudem ist die Gefährlichkeit solcher Waffen umstritten (Bundesamt für Strahlenschutz 2003). Es stellt sich also die Frage, warum der Innenminister gerade jetzt solche Behauptung an die Öffentlichkeit bringt, wo sich Deutschland intensiv auf den Krieg die Fußballweltmeisterschaft vorbereitet. Da er den Iran erwähnt: will Schäuble die Bevölkerung auf die olympischen Spiele den nächsten Angriff vorbereiten? Diesmal, anders als beim Irak, womöglich mit direkter deutscher Beteiligung.

26.1.06

Luftnummer

Der Ersatz-Stoiber, Wirtschaftsminister Michael Glos, will künftig verhindern, dass Betriebe, die ihre Produktion ins Ausland verlagern, für neue Fabriken auch noch EU-Fördergelder kassieren (Bericht bei SpOn). Ein ziemlich umständlicher Weg, den der Minister da vorschlägt. Es würde nämlich genügen die deutschen Steuergesetze zu ändern. Die erlauben es derzeit die Schuldzinsen für alle mit den Auslandsinvestitionen zusammenhängenden Kosten in Deutschland steuerlich geltend machen, also vom hier erzielten Gewin abzuziehen. Zudem kann der Gewinn ausländischer Tochterfirmen mit einem lediglich 2% betragenden Steuersatz leicht nach Deutschland transferiert werden. Würde Glos an der Schraube drehen, was sicher schneller und einfacher geht als die EU anzuschieben, der Beifall des Finanzministers und der deutschen Arbeitnehmer wäre ihm gewiß.

25.1.06

Entlassungsproduktivität

Als Unwort des Jahres 2005 wurde aus etwa 1.100 Vorschlägen Entlassungsproduktivität gewählt. Dieses Wort, von den meisten wohl selten bis nie gehört, bezeichnet den Anteil der gesteigerte Produktivität eines Unternehmens, der auf durchgeführte Mitarbeiterentlassungen zurückgeführt wird. Mit der Wahl setzt sich der Trend fort, den euphemistischen Sprachgebrauch einiger Wirtschaftskreise zu ächten.

Am gleichen Tag, als das Unwort des Jahres bekannt gemacht wurde, kündigte DaimlerChrysler an, 6.000 Mitarbeiter entlassen zu wollen. Prompt stieg der Kurs der Aktie an der Frankfurter Wertpapierbörse; vermutlich nahmen die Anleger eine steigende Entlassungsproduktivität im Kurs vorweg.

24.1.06

Hauptsache gut versorgt

Nachdem der Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder an die Spitze des Verwaltungsrats der neuen Gaspipeline-Gesellschaft wechselt und Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement im Aufsichtsrat des Dienstleistungskonzerns Dussmann sitzt, geht der Ex-Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, Caio Koch-Weser, künftig dem Bank-Chef Josef Ackermann zur Hand. Bericht bei Spiegel-Online.

Grüne an Aufklärung der BND-Aktivitäten im Irak-Krieg nicht interessiert

Über den Sinn von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen kann man streiten. Sie eignen sich vor allem dazu, der Regierung auf die Nerven zu gehen. Heraus kommt meist herzlich wenig. Es ist selten, dass sich so eine Gelegenheit schon kurz nach der Regierungsbildung bietet. Nun weigert sich die Fraktion der Grünen aber einen solchen Untersuchungsausschuss zur Rolle des BND im Irak-Krieg mit zu beantragen. Und damit platzen die Träume von FDP und Linkspartei. Die Grünen setzen auf umfassende Aufklärung seitens der Regierung. Da können sie lange warten. Die Grünen fürchten wohl nicht zu Unrecht, dass die FDP einen Ausschuss auch zur Generalabrechnung mit der rot-grünen Regierungszeit machen will und Ex-Außenminister Joschka Fischer daher unangenehme Zeiten bevorstünden. Westerwelle attestierte den Grünen wegen ihrer Haltung schon 'mal "Denkmalpflege für Joschka Fischer".

20.1.06

Stoppt uns - SPD

Der Beschluss des SPD-Bundesvorstands, die Proteste gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie zu unterstützen, wird vom Netzwerk Attac amüsiert zur Kenntnis genommen. Detlev von Larcher vom Attac-Koordinierungskreis bemerkte dazu:
"Es ist schön, dass die SPD sich an ihre Wahlversprechen erinnert. Aber als Regierungspartei sollte sie nicht auf Demonstrationen angewiesen sein, um ihre Forderungen durchzusetzen"

Die nach ihrem Initiator auch als "Bolkestein-Richtlinie" bekannte EU-Richtlinie sieht das Herkunftslandprinzip vor. Mit dem von Konservativen und Liberalen im EU-Parlament befürworteten Prinzip können Sozial-, Umwelt- und Verbraucherrecht in der EU umgangen werden. Das senkt die Standards und vernichtet Arbeitsplätze. Die sozialdemokratische Fraktion hat sich bisher nur für Einschränkungen der Richtlinie ausgesprochen. Grüne und Linke lehnen sie dagegen völlig ab. Attac fordert, die Richtlinie zurückzuziehen und stattdessen die Standards innerhalb der EU langfristig am hohem Niveau zu harmonisieren und Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge vor Privatisierung und Wettbewerbsdruck zu schützen.

Das Europaparlament wird über die Richtlinie am 14. und 15. Februar 2006 in erster Lesung beraten. Attac ruft daher für den 11. Februar zu einer europäischen Demonstration in Straßburg auf und unterstützt zudem die von Gewerkschaften initiierten Proteste in Berlin.
"Es ist eine skurile Vorstellung, dass die SPD gegen ihre eigene Politik auf die Straße geht. Transparente mit der Aufschrift 'Stoppt uns - SPD' stellen wir dafür gern zur Verfügung."

sagte von Larcher.

18.1.06

USA verfolgen bewusste Folterstrategie

Die Organisation Human Rights Watch erhebt in ihrem Jahresreport zur Lage der Menschenrechte in der Welt schwere Foltervorwürfe gegen die USA.
"Die Bekämpfung des Terrorismus ist ein zentrales Element beim Kampf für die Einhaltung von Menschenrechten. Der Einsatz illegaler Taktiken gegen vermeintliche Terroristen ist jedoch unrecht und kontraproduktiv."
(Kenneth Roth, Direktor von Human Rights Watch)

Kenneth Roth stellte im Report einleitend fest, dass die Misshandlung von Gefangenen nicht auf einzelne "schwarze Schafe" niedrigen Ranges zurückzuführen sei. Solche Behauptungen zu Menschenrechtsverletzungen an Gefangenen im US-Gewahrsam sei völlig unglaubwürdig. Folter und Mißhandlung seien vielmehr Teil der Strategie der Bush-Administration im sogenannten Kampf gegen den Terrorismus.

Auch die EU bekommt im Report ihr Fett weg. Die Gemeinschaft reagiert nach Ansicht von Human Rights Watch nämlich auf Menschenrechtsverletzungen in anderen Staaten nicht mit der angemessenen Härte. Wirtschaftliche und andere politische Interessen stünden für die EU bei ihren Auslandsbeziehungen erkennbar im Vordergrund. Zudem hätten die Staats- und Regierungschefs auf dem EU-Gipfel im Oktober 2005 eine "peinlich positive Stellungnahme" zu Tschetschenien verabschiedet, die die Gräueltaten der russischen Truppen im Kaukasus ignoriert.

17.1.06

Professor UnSinn die X-te

Hans-Werner Sinn verbreitet sich in der WELT zu seligmachenden Niedriglohnjobs, neudeutsch Kombilohn oder, wie Sinn sagt: "Aktivierende Sozialhilfe". Ein Volk am Existenzminimum, ein Heer von "working poor" als Lösung für Deutschland. Nur mit starken Nerven oder ab 1 Mio. Euro Rücklagen zu ertragen.

"Allgemein-Platzeck" bei der SZ

Matthias Platzeck, der Hoffnungsträger der SPD, im Interview mit der Süddeutschen Zeitung:
Heute geht es um Probleme, die in den 50er, 60er, 70er Jahren weniger Gewicht hatten. Damals war eine unserer vorrangigen Aufgaben, für Gerechtigkeit am Arbeitsplatz zu sorgen, für angemessene Entlohnung, anständige Arbeitsbedingungen. Das ist nach wie vor sehr wichtig. Heute geht es aber auch um den gerechten Zugang zu Möglichkeiten der Selbstentfaltung.

Sind das die Inhalte, die ein erneuertes Grundsatzprogramm der SPD notwendig machen? Und woher will Platzeck eigentlich wissen, was die SPD in den 50er, 60er, 70er Jahren bewegte? "Gerechtigkeit am Arbeitsplatz" war dabei seinerzeit und ist auch heute sicher kein Selbstzweck, das Thema bei real existerender Armut - dank Niedriglöhnen und Hartz IV auch mit Job - keineswegs zweitranging. Zum Zugang zu Möglichkeiten der Selbstentfaltung bleibt da für viele kaum Zeit. Will die SPD, will Matthias Platzeck dies untere Drittel der Gesellschaft ignorieren?

15.1.06

Investitionsprogramm der großen Koalition bringt zu wenig

Die Politik antwortete auf immer größere Löcher bei den Einnahmen mit immer neuen Ausgabenkürzungen. "Aus der Krise kann man sich nicht heraussparen", so Finanzminister Steinbrück. Fraglich, ob er sich daran hält. Denn die Regierung erklärt ja auch immer wieder, dass sie die Politik der Vorgängerin fortführen will. Die große Koalition will nun mit einem "Impulsprogramm für Wachstum und Beschäftigung" die Konjunktur voranbringen. Immerhin 25 Milliarden Euro sollen fliessen. Dieser Betrag ist allerdings für vier Jahre vorgesehen, jährlich sind das gerade einmal etwas über sechs Milliarden. Eingerechnet sind darin das Elterngeld, Steuererleichterungen für die Wirtschaft u. a. m. Ein Tropfen auf den heissen Stein! Bzw. "Hinten kommt nicht viel raus". Michael Schlecht in der Frankfurter Rundschau.

Fachkräftemangel?

Der VDI stellt fest, dass die deutschen Unternehmen rund 15.000 offene Ingenieurssstellen nicht besetzen können. "Der Fachkräftemangel ist derzeit das Investitionshemmnis Nummer 1 in Deutschland" behauptet Dr. Willi Fuchs, Direktor des Vereins Deutscher Ingenieure. Von welchem "Fachkräftemangel" faselt der Mann? "50 + Ingenieur = arbeitslos" schreibt die Zeit. Wenn derzeit mehr als 63.000 arbeitslose Ingenieure registriert sind, fällt es ziemlich schwer, an einen Fachkräftemangel zu glauben. Der "Makel" der verfügbaren Ingenieure: Beinahe die Hälfte von ihnen ist älter als 50 Jahre. Da liesse sich also allein mit den erfahrenen Kräften der erfundene Mangel gleich zweifach ausgleichen.

11.1.06

Staatsterror

Seit dem 11.01.2002 sind in Guantánamo Bay auf Kuba etwa 500 Menschen rechtswidrig inhaftiert, ohne dass sie bisher angeklagt oder verurteilt worden sind. Mit diesem Lager verstoßen die USA klar gegen die Genfer Konventionen und andere, völkerrechtlich bindende Verträge.

Die Bedingungen, unter denen die Häftlinge festgehalten werden, sind laut Amnesty International grausam, unmenschlich und entwürdigend. Es gibt Hinweise darauf, dass Häftlinge in Guantánamo Bay und anderswo von US-Militärs gefoltert wurden bzw. werden. Laut Amnesty sollen die Gefangenen z. B. stundenlang bei extremen Temperaturen mit Händen und Füßen an den Boden gekettet worden sein. Außerdem seien sie lauter Musik und grellem, blitzenden Licht ausgesetzt sowie mit Hunden bedroht worden. Schon die Willkür der Haft und die kaum vorhandene Aussicht auf ein faires Gerichtsverfahren ist wie Folter anzusehen. Nach Berichten des Roten Kreuzes führen die Bedingungen in Guantánamo Bay u. a. zu schweren psychischen Erkrankungen und zu einer hohen Suizidgefahr der Gefangenen.

Die US-Regierung beharrt weiter darauf, dass die Gefangenen illegale Kämpfer seien, denen weder eine Behandlung nach den Genfer Konventionen, noch ein Verfahren vor ordentlichen Gerichten zusteht. Die Menschenrechte kennen jedoch keine solche Ausnahme. Jedem Menschen steht unter allen Umständen eine menschliche Behandlung zu. Ein faires, rechtsstaatliches Verfahren sollte für Staaten, die sich als demokratisch bezeichnen, selbstverständlich sein.

Wie kann man Staaten als Verbündete bezeichnen, deren Regierungen foltern lassen und die Menschenrechte mit Füßen treten?

10.1.06

Kombilohn? - haben wir schon

In einem "offenen Brief" an Bundeskanzlerin Merkel weist Bettina Winsemann alias Twister die Regierungschefin "von Frau zu Frau" darauf hin, dass es den Kombilohn, also die Kombination aus Niedriglohn und staatlichen Zuwendungen, schon lange gibt.
Artikel bei Heise

9.1.06

Verramschen von Sozialkapital

Die Zeit berichtet über den massenhaften Ausverkauf von Sozialwohnungen in Deutschland. Offenbar politisch gewollt wechseln ganze Wohnungsgesellschaften den Eigentümer. Dass es vor allem die Kommunen sind, die ihre Wohnungsgesellschaften verscherbeln um die Haushalte zu sanieren, kann Lutz Freitag, Präsident des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, nicht verstehen: "Das ist Selbstmord aus Angst vor dem Tod." Wohl nicht ganz unberechtigt vermutet Freitag, dass die sozialen Folgen des Ausverkaufs kommunaler Immobilien die Kommunen noch teuer zu stehen kommen werden.

Neusprech

Die FDP behauptet: "liberal ist sozial!" Bei solch frechen Umdeutungen will die CDU offenbar nicht hinten anstehen. Nachdem Wahlanalysten der CDU herausgefunden haben, dass das überraschend schlechte Wahlergebnis im September 2005 vor allem darauf zurückzuführen ist, dass die CDU bundesweit als Partei der "sozialen Ungerechtigkeit" gilt, will die Union nun gegen die Sozialdemokraten und ihren Begriff von der "sozialen Gerechtigkeit" punkten. Wobei viele Sozialdemokraten in der Agendapolitik ihrer Vorturner das Soziale eigentlich seit langem schmerzlich vermissen. Flugs erfindet die CDU das Schlagwort von der "neuen Gerechtigkeit" und zielt damit auf Familien, Alleinerziehende, Sozialhilfeempfänger und andere Benachteiligte als potentielle Wähler. Der Weg dazu, dies reichlich vage Ziel zu erreichen sei "mehr Freiheit zu wagen", vergreift sich Kanzlerin Merkel ein weiteres Mal an dem Satz von Willy Brandt "Mehr Demokratie wagen!". Wohlmeinende Journalisten laufen sich schon 'mal warm, das Neue und Soziale in der konservativen Politik des Sozialabbaus zu entdecken.

US-Folter-Camps in Europa

Unter Berufung auf einen Artikel der schweizerischen Wochenzeitung SonntagsBlick berichten diverse Medien über ein Fax des ägyptischen Aussenministeriums an die Londoner Botschaft, dass den Beweis für europäische Foltercamps enthalten soll. Schweizer Agenten sollen den Faxverkehr aufgefangen haben. Der SonntagsBlick berichtet von der Existenz US-amerikanischer Verhörzentren in Rumänien, der Ukraine, im Kosovo, in Mazedonien und Bulgarien. Die Frage sei erlaubt, ob es eigentlich einen Unterschied macht, ob die Amerikaner in den USA, in Guantanomo, Syrien, in Europa oder anderswo die Menschrechte mit Füssen treten? Um die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Motive für den "Kampf gegen den Terror" in Zweifel ziehen zu können, genügt bereits die Kenntnis, dass mit der Einrichtung in Guantanamo Recht gebrochen wird. Bestreitet nun jemand ernsthaft, dass die amerikanische Regierung US- und Völkerrecht bricht, Menschenrechte verletzt?

Das man Länder, die Folter und illegale Praktiken unterstützen, nicht in die EU aufnehmen sollte, versteht sich. Vermutlich würden diese Konsequenzen aber nicht einmal dann gezogen, wenn die EU-Parlamentarier zu entsprechenden Camps in Europa reisen könnten.

8.1.06

4 Ex-Finanzminister bei Christiansen

In der sonntäglichen Zombie-Runde bei "Sabine Christiansen" treten heute an: Manfred Lahnstein, 1982 Finanzminister in den letzten Tagen der Regierung Schmidt, wechselte später zum Medienkonzern Bertelsmann. Dann Theo Waigel, letzter Finanzminister der Regierung Kohl von 1989 bis 1998 und größter Schuldenmacher aller Zeiten. Wäre in guten Jahren vermutlich unauffällig und brauchbar gewesen, war aber mit den Problemen der Wiedervereinigung völlig überfordert. Oskar Lafontaine, Kurzzeitminister der ersten Regierung Schröder nach dem Wahlerfolg 1998, der sich 1999 überraschend und ohne Erklärungen aus der Politik zurückzog, 2005 aber über die Linkspartei wieder einstieg, just als sein Ex-Parteifreund Gerhard Schröder sich ebenso überstürzt von der Politik ab und dem schnöden Mammon zuwandte. Schließlich Hans Eichel, bei der Wiederwahl in Hessen gescheitert, dafür dann 1999 mit einem Ministersessel in Berlin belohnt. Konnte bis zum Ende der Regierung Schröder nie als Sparkommissar überzeugen.

7.1.06

Jubeltreffen

Guido Westerwelle, Chef der ehemaligen Pünktchenpartei FDP, erkennt bei der Regierung Merkel schon nach wenigen Wochen die "Fortsetzung sozialdemokratischer Politik". Was natürlich solange schlecht ist, als er nicht auf einem Ministersessel in Berlin Platz nehmen kann. Für die meisten Bürger ist das auch schlecht, weil das Regieren gegen das Volk weiter geht. Mit Sprüchen wie "Wir sind die einzige politische Kraft der Freiheit" und "liberal ist sozial!" die Westerwelle seinem begeisterten Publikum zurief, möchte sich die FDP als politische Alternative breiten Kreisen andienen. Wobei sich die Frage stellt, was an der Politik dieser Partei eigentlich liberal oder gar sozial sein soll. Das neoliberale, bierdeckeltaugliche Steuermodell, Kopfpauschalen im Gesundheitswesen oder gar die Forderung nach Abschaffung der Bundesagentur für Arbeit? Kein Wort also beim Drei-Königstreffen darüber, dass die deutschen Wähler den politischen Ideen von Westerwelle eine klare Abfuhr erteilt haben.

6.1.06

Rürup will an die Renten

Nach Meinung des Wirtschaftsweisen Bert Rürup muss die Bundesregierung die Rentenleistungen für künftige Witwen und Witwer deutlich beschneiden. Die Hinterbliebenenrente müsste nach Rürup aus Steuern finanziert werden, da es sich um eine Sozialleistung handelt. Die Höhe der Hinterbliebenenrente soll sich künftig nicht mehr an der Rente des Verstorbenen, sondern "an der Bedürftigkeit des Hinterbliebenen" orientieren, so Rürup.

Ach ja? Da hat der deutsche Michel z. B. 40 Jahre stramm malocht und kräftig in die Kasse der BfA eingezahlt. Derweil hat die Frau die Blagen groß gezogen. Wenn Michel dann ermattet in Rente geht, künftig ja erst mit 67, und ob des Stresses und der jahrelangen Angst vor Arbeitslosigkeit schon mit 69 oder 70 in die Kiste fällt, soll die "lustige Witwe" zum Sozialfall werden, während die Rentenversicherungen und Politiker einen Toast auf Michels "sozialverträgliches Frühabsterben" ausbringen.

Baby TV

Die Berieselung von Kindern mit Fernsehen beginnt seit den Teletubbies immer früher. Aus Israel kommt nun mit "Baby TV" der ultimative Nachfolger für alle Windelträger und das rund um die Uhr. Eine gruselige Vorstellung: die Glotze als "Nanny".
Bericht bei DIE WELT.de.

Märchenhafte Massenvernichtungswaffen

Die Notwendigkeit gegen den Irak Krieg zu führen wurde von den USA bekanntlich damit begründet, dass Saddam Hussein über Massenvernichtungswaffen verfügte. Abgesehen davon, dass dies auf eine Reihe von Staaten, u. a. die USA selbst zutrifft, hat man solche Waffen nicht gefunden, weshalb man heute wohl getrost feststellen kann, dass es sich um eine Propagandalüge der Amerikaner und deren Verbündeten Grossbritannien handelte.

Nun bastelt man schon wieder an einer solchen Legende. Wie man beim Guardian lesen kann, arbeitet der Iran angeblich an der Entwicklung einer Atombombe. Wesentliche Behauptung eines 55-seitigen Berichts aus 2005 zum Thema: Teheran kauft in Europa und anderswo Material zur Herstellung einer Atombombe. Das ist ziemlich sicher ebensolcher Kappes, wie die seinerzeitigen Behauptungen der Bush-Administration über den Irak. Ein erstaunlicher Bericht für eine Zeitung, die in der Vergangenheit die Lügen der eigenen Regierung zum Besitz von Massenvernichtungswaffen des Irak mehr als deutlich gemacht hat. Prompt zitieren andere Blätter diese Nachricht und verkünden sogar reisserisch: "Iran droht jetzt mit einem vernichtenden Atomschlag." Tatsächlich ist absolut unwahrscheinlich, das der Iran über diese Möglichkeiten verfügt. Selbst israelische Hardliner erklären, dass der Iran frühestens in zwei Jahren eine Atomwaffe besitzen könnte. Diese Meldung dient aber offenbar dem gleichen Zweck, wie die über den Irak. Man will die Öffentlichkeit für einen Angriff auf den Iran gewinnen.

Der beste Schutz kleiner Staaten dürfte es daher mittelfristig sein, tatsächlich über solche Waffen zu verfügen und anzukündigen, im Falle eines Angriffs Nachbarstaaten zu attackieren.

5.1.06

Scheinheilige Empfehlungen

Hamburgs CDU-Bürgermeister Ole von Beust warnt den Staat im FTD-Interview vor bedingungsloser Privatisierung.
"Wo der Staat Einfluss hat, sollte er den behalten oder sich Investoren suchen, die standortpatriotisch handeln. Eine bedingungsfreie Privatisierung von bisher staatlich wahrgenommenen Dienstleistungen oder von staatlichem Eigentum halte ich für falsch."

Der Senat der Stadt Hamburg hat unter der Führung von Beusts allerdings das genaue Gegenteil von dem getan, was der CDU-Politiker nun für falsch erklärt. So wurden die Strom- und die Gasversorgung an Vattenfall bzw. E.on verkauft. Beim Verkauf der städtischen Krankenhäuser setzte sich die Landesregierung sogar über einen Volksentscheid hinweg und bekam dafür das Plazet des Verfassungsgerichtes. Die Meinung des Souveräns gilt halt nicht sonderlich viel im CDU-Staat.

Auch die aktuellen Planungen lassen nicht vermuten, dass von Beust die bisherige Ausverkaufspolitik ändern will. Zum Ende des Jahres 2005 wurde bekannt, dass Hamburg die Mehrheit der Hafenbetriebe HHLA und des Nahverkehrs (HHA) an die Deutsche Bundesbahn verkaufen will. Im Gegenzug sollte die Konzernzentrale der Bahn von Berlin nach Hamburg verlagert werden. Dieses Vorhaben ist ziemlich umstritten und wurde durch politische Intervention vorerst gestoppt. Das Vattenfall, E.on oder die Bahn sich jemals "standortpatriotisch" verhalten würden, nimmt wohl auch im CDU-Senat keiner ernsthaft an. Der Finanzsenator Peiner hatte die Verkäufe der Energiesparten vor Jahresfrist noch als Fehler bezeichnet. Heute verteidigt er die weiteren Verkaufspläne in einem kleinen Medienkrieg mit angeblichen Bedenkenträgern in Politik und Wirtschaft.

4.1.06

"Gute Nachrichten" vom Arbeitsmarkt

Überall kann man lesen, dass es am Arbeitsmarkt jetzt besser aussieht. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit, Frank-Jürgen Weise, machte bei der Jahresabrechnung 2005 in Zuversicht für 2006. Nur: worauf gründet sich die? Vor allem darauf, dass es angeblich nicht so schlimm kam, wie befürchtet. Wer jetzt glaubt, die Arbeitslosigkeit sei 2005 zurückgegangen, ist schon auf die Propaganda hereingefallen. Nein, 2005 waren im Durchschnitt 482.000 Menschen mehr ohne Arbeit als 2004. Nur der Anstieg von November 2005 zum Dezember fiel mit 75.000 geringer aus, als vorher erwartet. Auch wenn man den "Hartz-IV" Effekt für 2005 mit 330.000 ansetzt, so kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zahl der Arbeitslosen tatsächlich gegenüber dem Vorjahr zugenommen hat. Auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen hat sich erhöht. Und unter den über 50 Jährigen ist inzwischen jeder vierte arbeitslos. Den aktuellen Bericht der Bundesagentur kann man hier nachlesen (PDF).

Das Jobwunder läßt auf sich warten

In einem ungewohnt sachlichen Beitrag stellt die Welt die bisherigen Versuche der Politik, eine Wunderwaffe im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zu entwickeln, vor. ABM, Job Floater, Personalservice Agenturen, Ich-AG, Minijob und Kombilohn, das ganze Instrumentarium der letzten Jahre im Schnelldurchgang. Allesamt überwiegend wirkungslos. Und genau auf dem Weg will Super Angie weitermachen? Wenn das funktioniert, glaube ich ab morgen an den Weihnachtsmann.

Milchmädchenrechnung

Der aus der Mottenkiste hervorgekramte Vorschlag der Unionsparteien, den Niedriglohnsektor mit sogenannten Kombilöhnen zu fördern, hat eine heftige Diskussion ausgelöst. Derzeit überwiegt die Ablehnung. So liest man im Manager Magazin:
Die Milchmädchenrechnung, dass die Zuschüsse beim Kombilohn über eingesparte Arbeitslosenhilfen wieder hereinkommen, scheint nur im ersten Modell logisch. ... Kombilöhne können die Arbeitslosenzahlen nur "verschönern", das Problem aber nicht lösen. Letztendlich gibt es nur einen Weg aus dem Teufelskreis der Arbeitslosigkeit: Eine Stärkung der Wirtschaft, wobei die Exportorientierung nicht die entscheidende Rolle spielen darf. Nur eine Stärkung der Binnennachfrage kann hier helfen.
SPD-Fraktionsvize Joachim Poß lehnte im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau "eine flächendeckende Einführung" von Kombilöhnen ab. Man sollte solche Äußerungen nicht überbewerten, vor allem dann nicht, wenn sie als verhandlungsfähig offeriert werden. Bei der FR heisst es nämlich auch:
Die SPD macht ein Entgegenkommen beim Kombilohn davon abhängig, ob sich die Union bei den Themen Entsendegesetz und Mindestlohn bewegt.
Mit anderen Worten: die SPD lehnt den Vorschlag solange ab, bis sie im Tausch Unterstützung für ihre Ideen erhält. Ob das wohl die vom Bundespräsidenten in seiner Weihnachtsansprache beschworene Handlungsfähigkeit der Regierung darstellt?

3.1.06

Das Jahr vor dem Fall

Das Jahr vor dem Fall titelt Heiner Flassbeck, und zielt mit seiner Betrachtung des Patienten "Deutsche Wirtschaft" auf die Wirtschaftspolitik der Koalition, die er, wie die der vorherigen Regierung, für völlig verfehlt hält. Flassbecks Prognose ist schon von daher alles andere als günstig. Der von vielen "Experten" prognostizierte, fast beschworene Aufschwung wird sich seiner Meinung nach nicht einstellen, u. a. weil durch die Konsolidierungswut die Einnahmen sinken und die Binnennachfrage weiterhin nicht anziehen kann. Zwar heize die Mehrwertsteuererhöhung den Konsum im zweiten Halbjahr 2006 ggf. an, der Einbruch 2007 fällt aber daher nur um so heftiger aus. Lesenswert!

2.1.06

Kombilohn als Problemlöser?

CDU/CSU und SPD wollen den Kombilohn einführen, mit dem der Niedriglohnsektor gefördert werden soll. "Unsere Grundthese ist, dass es genügend Arbeit in Deutschland gibt, aber nicht genügend bezahlbare Arbeit", betonte der wirtschaftspolitische Sprecher der Unions-Fraktion, Laurenz Meyer. Hübsche, aber nicht sonderlich originelle, da alte These. Belege wie üblich Fehlanzeige.

Wohl nicht ganz zu Unrecht gehen die Gewerkschaften davon aus, dass mit diesem Modell das Lohnniveau weiter gedrückt wird. Die Arbeitgeber könnten damit rechnen, dass der Staat (und damit der Steuerzahler) die Lohnsenkung auffange. Mitnahmeeffekte könnten Milliarden kosten, aber ohne Einfluß auf die Beschäftigungsquote bleiben, ist im Handelsblatt zu lesen. Solche Prognose erscheint nicht sonderlich gewagt. Bisher hat noch jede Maßnahme, die angeblich den Durchbruch am Arbeitsmarkt bringen sollte, vor allem viel Geld gekostet aber kaum Menschen in Arbeit gebracht.

Wirtschaftsminister relativiert Forderung nach Lohnerhöhungen

Aus der Forderung des Bundeswirtschaftsministers Michael Glos (CSU) "für gute Arbeit gutes Geld" verdienen zu können, ist die Luft schon nach wenigen Tagen 'raus. Hiess es bei ihm zunächst noch, man solle "nicht allein Kosten, Shareholder-Value und Aktionärsinteressen" im Blick haben, sondern auch die Binnennachfrage, so schreibt Glos jetzt in einem Beitrag für das Handelsblatt: "Wo Lohnzurückhaltung nötig ist, um Arbeitsplätze zu sichern und im Wettbewerb zu bestehen, ist dies richtig und wichtig". Nichts neues also bei der Union. Nur die übliche heisse Luft.

1.1.06

Deutschlands furchtbare Juristen

Wie man kurze Zeit bei SpOn lesen konnte, setzt sich der Bund Deutscher Juristen (BDJ) angeblich für den Einsatz der "leichten Folter" ein. Unter leichter Folter werden der Meldung zufolge Maßnahmen verstanden, die nicht zu einer dauerhaften Schädigung des Gefolterten führen. Dazu sollen u.a. gehören: die Androhung von Folter, Schlaf- und Nahrungsentzug, Elektroschocks, pharmakologische Behandlung und ähnliche Maßnahmen unter ärztlicher Aufsicht. Eine entsprechende Erklärung gab der Vorsitzende des BDJ, Claus Grötz, Strafrichter am BGH. "Das Leben unschuldiger Opfer besitzt einen höheren Wert als die körperliche Integrität von Verbrechern. Wir müssen jetzt Tabus brechen", soll Grötz gesagt haben. Und faselte angeblich weiter: "Die Zeit der weihnachtlichen Sentimentalitäten ist vorbei." Kaum zu glauben. Wenn das aber stimmt, dann rüttelt der Mann an elementaren Grundsätzen des Rechtsstaates. Vermutlich müßte er aus dem Amt entfernt werden. Kurz nach der Publikation hat SPIEGEL Online den Text offenbar gesperrt. Unter obigen Link kommt seit dem eine Fehlermeldung.