Seitenhiebe

29.4.06

Immer mehr Menschen auf Hartz-Niveau

Während die Arbeitslosigkeit der von Nürnberg regulierten Jobsuchenden gegenüber dem Vorjahr erheblich abnimmt, gibt es bei den Betroffenen der Hartz-Reform (zweites Sozialgesetzbuch) einen deutlichen Zuwachs. Hauptgrund dafür ist, dass zunehmend Arbeitslose mit dem Auslaufen ihrer Lohnersatzansprücbe auf das meist niedrigere Hartz-Niveau herabgestuft werden.

Die Frankfurter Rundschau zu den monatsüblichen Beschönigungen des BA Gurus Frank-Jürgen Weise.

Raffelhüschen forscht

Der Versicherungsvertreter Bernd Raffelhüschen publiziert INSM-konforme "Forschungsergebnisse" unter dem hübschen Titel "Alle zahlen für die Rentner".

Sklavenmarkt für 1 Euro-Jobber

Eine von Wirtschaftssenator Gunnar Uldall unterstützte "Job-Karawane" zieht durch vier Hamburger Einkaufszentren und bietet Arbeitslose an. Dazu fällt mir nun wirklich nicht mehr ein. Der Senator sollte sich lieber um echte Arbeitsplätze bemühen.
Bezieher des Arbeitslosengeldes II (ALG II) werden von der ARGE schriftlich aufgefordert, sich an der Aktion zu beteiligen. In aller Öffentlichkeit sollen sie sich auf Angebote von Zeitarbeitsfirmen auf Ein-Euro-Jobs einlassen. Auch der Austausch von persönlichen Daten und Bewerbungsunterlagen erfolgt mitten im Einkaufsgewühl. Zum Programm dieser ganztägigen Veranstaltungen, die mit Vorliebe in Flanier- und Konsummeilen großer Einkaufszentren stattfinden, gehören auch Bühnenvorstellungen, auf denen sich die Erwerbslosen dann – zur Belustigung des Publikums – durch professionelle Animateure bearbeiten lassen müssen.

Mit dabei übrigens die DAA

24.4.06

BA mit Überschüssen

Die Bundesagentur für Arbeit soll erheblich Überschüsse erzielen. heise.de meldet, dass das Plus von derzeit 1,72 Milliarden Euro im Wesentlichen zu Lasten der Langzeitarbeitslosen geht. Die "Welt" kommt laut der Meldung in einer Hochrechung auf einen Jahresüberschuss von 7 Milliarden Euro. Als Grund für die Überschüsse wird u. a. die sich weiter öffnende Schere zwischen den Kurzzeitarbeitslosen mit ALG-I (längstens 1 Jahr von der BA zu zahlen) und den Langzeitarbeitslosen mit ALG-II (vom Bund zu zahlen) genannt. In der Großen Koalition gibt es angeblich Pläne, die durch massive Verschiebungen von ALG-I-Empfängern in ALG-II entstehenden Mehrkosten des Bundes bei den Langzeitarbeitslosen wieder einzutreiben. Den Ärmsten zu nehmen, den übrigen mit Armut zu drohen und darüber zu Lohnverzicht und anderen Zugeständnissen zu zwingen, hat weiterhin Methode.

21.4.06

IWF: Verzicht macht reich

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hält die Wirtschaftspolitik aller Länder der Welt unter strenger Beobachtung, macht sich Gedanken und gibt dann gerne Tipps, wie alles besser laufen könnte. Damit hat er schon ganze Volkswirtschaften ruiniert, die nicht stark genug waren, sich gegen die nicht ganz unverbindlichen "Vorschläge" des mächtigen Kreditgebers aus Washington zu wehren.

Lesenwerter Kommentar bei berlinonline.de

19.4.06

Wir brauchen Bildungshäuser für die Dreijährigen

In der FAZ äußert sich die ledige, kinderlose Ministerin Anette Schavan zu den Problemen der Schule. Ich habe selten etwas Einfältigeres gelesen. O-Ton:
Es haben uns lange Zeit die Instrumente gefehlt, Schule realistisch wahrzunehmen. Jeder Bildungspolitiker konnte in Deutschland alles behaupten, doch empirische Erhebungen haben gefehlt. Es hat einfach viel zu viele Illusionen gegeben.

Schüler, deren Eltern und die meisten Lehrer wissen sicher mehr als die Ministerin. Dass die Probleme und deren Wahrnehmung aber durch Regelungswut und einen Mangel an empirischen Untersuchungen der Schulrealität bestimmt sind, auf diesen Schwachsinn kann wohl nur jemand wie Frau Schavan kommen.

Starke Worte

Der Chef der Drogeriekette dm, Goetz Werner, hat in einem Interview mit dem Stern die Hartz-IV-Gesetze kritisiert. Er bezeichnet sie als destruktives Element, offenen Strafvollzug und Beraubung von Freiheitsrechten. Die Klagen seiner Unternehmer-Kollegen über zu hohe Abgaben bezeichnete Werner in dem stern-Gespräch als "Lug und Trug". Die Unternehmer zahlten so gut wie keine Steuern: "Klagen und Jammern gehören zum Geschäft. Aber jeder Unternehmer wälzt seine komplette Steuerlast auf die Preise ab.

Arbeitsmarkt Illusionen

Die große Koalition hält hartnäckig an der Illusion fest, es könne jeder, der nur wolle, einen Arbeitsplatz finden. Wenn es dennoch über 5 Mio Arbeitslose gibt, so erklärt die Politik dies zu einem Vermittlungsproblem. Sofortangebote sollen nach dem Willen der großen Koalition nun dazu führen, dass Hartz-IV-Empfänger schneller vermittelt werden. Weiter sollen Trainingsmaßnahmen, Arbeitsgelegenheiten und auch konkrete Stellen helfen. Dass Arbeitsplätze gar nicht in ausreichender Zahl vorhanden sind, eine Vermittlung also meist nicht möglich ist, wird einfach ignoriert. Auch in der Arbeitsmarktpolitik also nichts Neues. Wesentlich konkreter als die wolkigen Ankündigungen sind die Erwartungen: die Regierung erhofft sich durch die Gesetzesänderungen Einsparungen in Höhe von 1,2 Milliarden Euro.

14.4.06

IWF: weltweiter Boom ohne Deutschland

Zum vierten Mal in Folge wird die Weltwirtschaft in diesem Jahr mit mehr als vier Prozent wachsen, sagt der IWF. Der Welthandel soll in diesem und im nächsten Jahr mit Raten von annähernd zehn Prozent wachsen. Nur in Deutschland werden kleinere Brötchen gebacken. An uns geht der Boom den Prognosen nach vorbei. Das spricht nicht gerade dafür, dass die Fortsetzung der Politik der letzten Jahre sinnvoll ist.

13.4.06

Bestandsaufnahme der Angriffe auf den Sozialstaat

Nicht Helmut Kohl und Hans Dietrich Genscher, sondern Gerhard Schröder und Joschka Fischer verschärften die von Otto Graf Lambsdorff und anderen Marktliberalen Anfang der achtziger Jahre erdachten und eingeleiteten sozialen Grausamkeiten (unter anderem Gesundheitsreform, Teilprivatisierung der Altersvorsorge, Hartz I bis Hartz IV).

Aus einer Besprechung des Buches Krise und Zukunft des Sozialstaates von Christoph Butterwegge in der Frankfurter Rundschau

11.4.06

BA verschärft Langzeitarbeitslosigkeit

Starker Tobak gestern Abend bei Report: die Bundesagentur für Arbeit vermittelt Leute über 50 nicht. Der Chef der BA, Frank-Jürgen Weise, zieht auf einer Tagung einen gewagten Vergleich mit Kriegssituationen. Angeblich sieht sich die BA vor dem gleichen Dilemma wie ein Feldarzt, der sich entweder um die Versorgung praktisch aussichtsloser Fälle oder um die Rettung nur leicht Verletzter kümmern kann. Ältere Arbeitslose werden daher weder gefördert, weitergebildet oder vermittelt, sondern per Dienstanweisung als "Betreuungsfälle" innerhalb von 12 Monaten zu Hartz IV Fällen; vollautomatisch. Fordern und fördern? Kein Gedanke! Ganz nebenbei wird auch das Gerede z. B. des Bundesarbeitsministers Müntefehring zur Ausgrenzung älterer Arbeitnehmer, die laut Müntefehring aufhören müsse, als Gewäsch entlarvt.

10.4.06

Platzeck gibt Vorsitz der SPD auf

Nachdem der SPD-Parteivorsitzende Mathhias Platzeck vor 14 Tagen den zweiten Hörsturz innerhalb weniger Monate erlitten hat, überrascht er nun Partei und Öffentlichkeit mit dem Rücktritt vom Parteivorsitz. Der Rücktritt erfolgt auf ärztlichen Rat hin: Platzeck muss und will kürzer treten. Platzeck hatte das Amt erst am 15. November 2005 angetreten. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck übernimmt bis zum nächsten Parteitag.

Doppelzüngig

Mit Hinweis auf die allgemeine Lohnentwicklung der letzten Jahre, mußten die Rentner schon mehrfach auf eine Erhöhung der Renten verzichten. Nun stellen die Politiker, ebenfalls mit dem Hinweis auf diese Lohnentwicklung fest, dass ihre Diäten erhöht werden müssen.

8.4.06

Heise: USA wollen Zugriff auf Verbindungssdaten der EU

Die heftig umstrittene EU-Richtlinie zur Vorratsspeicherung von Telefon- und Internet-Verbindungsdaten hat noch vor ihrer Umsetzung in den Mitgliedsstaaten Begehrlichkeiten auf der anderen Seite des Atlantiks geweckt. Laut einem Protokoll über ein informelles Treffen zur inneren Sicherheit zwischen hochrangigen EU-Vertretern und Mitgliedern der US-Regierung Anfang März in Wien zeigte die amerikanische Seite dabei Interesse daran, in den bald von Telekommunikationsanbietern in der EU vorzuhaltenden Datenbergen schürfen zu dürfen. Die US-Teilnehmer hätten zu erkennen gegeben, heißt es in dem von der britischen Bürgerrechtsorganisation Statewatch veröffentlichten Papier, dass man erwäge, "die einzelnen Mitgliedsstaaten zu ersuchen, die auf der Basis der vor kurzem angenommen Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung gesammelten Daten auch für sie zugänglich zu machen".

Da bleibt einem die Spucke weg. Meldung bei heise.de.

7.4.06

Miserables Streikergebnis

Nach 9 Wochen Streik in Baden-Württemberg wird die Arbeitszeit in den Kommunen doch erhöht, ohne Lohnausgleich. Vielleicht sollten die Gewerkschaftsführer einmal nach Frankreich schauen, um zu lernen, was möglich ist, wenn man entschlossen und konsequent handelt.

Ungare Vorstellungen

Der "brutalstmögliche Aufklärer", der Ministerpräsident von Hessen Roland Koch, klärt weiter auf. In München verlangte er, dass ältere Arbeitnehmer weniger verdienen sollen. Kochs Erkenntnis: Arbeitnehmer verdienten am wenigsten Geld, wenn sie es am meisten brauchten, nämlich in der Zeit der Familiengründung. Stimmt! Das es so wenig ist, verdanken sie aber nicht zuletzt einer Politik, für die Koch, die CDU und weite Teile der regierenden Parteien stehen. Es ist nicht anzunehmen, dass Koch morgen die Anhebung der Löhne junger Menschen fordert. Noch viel weniger wird er denjenigen eine Perspektive geben können oder wollen, die mangels Ausbildungsplatz gar nicht erst in das Berufsleben einsteigen können. Und noch viel weniger wird der 48 Jährige zu Gunsten junger Familien persönlich auf Einnahmen verzichten.

Wähler unzufrieden mit der großen Koalition

Unter Bezug auf den ARD-Deutschlandtrend melden diverse Blätter heute, dass 57 Prozent der Deutschen mit der Arbeit von Schwarz-Rot unzufrieden sind. Wundert das jemanden? Die vor Wochen noch publizierte angebliche Zustimmung zur Regierungsarbeit, hat mich angesichts der bisher ziemlich jämmerlichen Leistungen mehr erstaunt.

1.4.06

DAX Vorstände sahnen ab

Die FTD veröffentlich die Vorstandsbezüge der 30 DAX-Unternehmen.
Joachim Jahnke schreibt zum gleichen Thema:
Deutsche Arbeitnehmer werden nun schon seit vielen Jahren von fast allen Seiten aus Wirtschaft, Politik, Medien und Wirtschaftswissenschaften zur Lohnzurückhaltung ermahnt. So hat auch im Vorfeld der Tarifverhandlungen für 2006 Gesamtmetall-Chef Martin Kannegiesser angekündigt, die rund 3,5 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie müßten sich auf Reallohnverluste einstellen. Der Anteil der Arbeitnehmereinkommen am Volkseinkommen sinkt und sinkt. Im Durchschnitt bezog jedes einzelne Vorstandsmitglied ungefähr 1,8 Mio Euro oder das 45-Fache des durchschnittlichen Jahresverdienstes deutscher Arbeitnehmer, anders ausgedrückt: in einem einzigen Jahr mehr, als ein normaler deutscher Arbeitnehmer in seinem gesamten Arbeitsleben verdienen kann.

Wohl kein Anlaß zu einer Neiddebatte. Angesichts der Forderungen nach weiteren Einschnitten und Lohnzurückhaltung aber gewiß zu einer über Scheinheiligkeit.