Seitenhiebe

29.11.06

Nutzlose Spielwiese

Die neu aufgeflamte Begeisterung der Politik von Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand durch sogenannte Investivlöhne ist nicht originell, dafür aber reichlich verlogen. So müßten Arbeitnehmer dafür mehr Geld zum Ausgeben zur Verfügung haben. Nun wurde aber gerade diese Woche bekannt, dass man sich heute real weniger leisten kann als 1991. Dass immer weniger Arbeitnehmer über Jahre oder gar Jahrzehnte bei einem Arbeitgeber beschäftigt sind, hat sich vermutlich auch herumgesprochen. Den "Investivlohn" quakenden Politikern sei daher ein Blick in die Financial Times Deutschland geraten. Da heisst es:
Vielleicht sollte jemand der Bundeskanzlerin und dem SPD-Vorsitzenden einmal berichten, was es an Bankschaltern oder bei Onlinebrokern so zu kaufen gibt. Da gibt es zum Beispiel Aktien aller Art und in verschiedensten Formen der Bündelung.

Das Tollste aber ist: Jeder kann sie erwerben, einfach so. Millionen von Arbeitnehmern können sich hier ihre Teilhabe an den Erträgen des Faktors Kapital sichern, indem sie einen Teil ihres Lohns investieren. Link

24.11.06

Verkehrte Welt: SPD verteidigt Köhler

Für seinen umstrittenen Vorstoß in der Frage der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes bekam Bundespräsident Horst Köhler (CDU) heute Unterstützung von Peter Struck, dem SPD-Fraktionschef im Bundestag. Und das kurz nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel den Vorstoß von NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers begrüßte, die Bezugsdauer von ALG I wieder von der Einzahlungsdauer abhängig zu machen. Merkel hatte in einem Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" Köhler offen widersprochen und gesagt, dass der Antrag Rüttgers von der geltenden Beschlusslage der Partei gedeckt sei.

23.11.06

Köhler kann's nicht lassen

Bundespräsident Köhler greift in die aktuelle politische Diskussion um die Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld ein. Anläßlich einer Rede beim Vollversammlung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags lehnte Köhler Forderungen von NRW-Ministerpräsident Rüttgers ab, langjährig Versicherten das ALG I länger zu zahlen. Obwohl es schon derzeit Unterschiede in der Bezugsdauer gibt, Arbeitslose jenseits von 55 erhalten ALG I für 18 anstatt für 12 Monate, und obwohl Köhler selbst vom Paradigmenwechsel in der Arbeitslosenversicherung durch die sogenannte Agenda 21010 sprach, behauptete der Bundespräsident:
"Der Vorschlag, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I nach der Länge der Einzahlungszeit zu staffeln, schwächt das Versicherungsprinzip und damit eine zentrale zivilisatorische und soziale Errungenschaft zur Schaffung von Sicherheit in modernen Gesellschaften.

Ob es klug ist, sich als Präsident in solche Themen einzumischen, darf bezweifelt werden. Abgesehen davon ist die Behauptung an sich reiner Nonsense.

16.11.06

Heuchler Münterfering

Vizekanzler Franz Müntefering (SPD) bezeichnet den Vorstoß von NRW Ministerpräsident Rüttgers (CDU), den Bezug von Arbeitslosengeld I an die Beitragsjahre zu koppeln, als "Sauerei". Natürlich kann man an der Redlichkeit Rüttgers zweifeln. Immerhin hat die CDU die Hartz-Gesetzgebung mitgetragen und die Politik der CDU-Granden bürgt auch sonst nicht unbedingt für eine hohe Affinität zum Sozialstaatsgedanken. Aber wer heuchelt hier eigentlich mehr? Regt sich Müntefering vielleicht deshalb so auf, weil die SPD-Bundestagsfraktion im Juni 2005 unter ihrem damaligen Fraktionschef Müntefering exakt diese Verlängerung des ALG-I-Bezugs forderte?

Inzwischen fühlt sich auch die CSU aufgerufen einmal ein paar soziale Sprüche abzusondern. Deren Generalsekretär Markus Söder wirft der SPD dazu "neoliberale Tendenzen" vor. Von der fühlt sich die CSU offenbar frei. Wer's glaubt!

10.11.06

Jahresgutachten: wo bleibt Bofinger?

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, auch die Wirtschaftsweisen genannt, hat sein Jahresgutachten vorgelegt. Da sich in den letzten Jahren die Prognosen nicht annähernd bewahrheitet haben, darf man diese Kaffeesatzleserei nicht unbedingt ernst nehmen. Kaum jemand wird das Gutachten lesen, aber geschrieben und gesprochen wird viel darüber. Merkwürdiger Weise kommt weder in den Medien noch in der Politik die Minderheitsmeinung von Prof. Bofinger vor, der, wie schon letztes Jahr, zu ganz anderen Beurteilungen kommt. Ein Schelm wer Schlechtes dabei denkt.

Bundesrechnungshof: Mißbrauch bei Vermittlungsgutscheinen

Der Bundesrechnungshof kritisiert das 2003 von der rot-grünen Koalition eingeführte Verfahren sogenannter Vermittlungsgutscheine, das den Vermittlern pro Erfolgsfall 2000 Euro garantiert, als in hohem Maße missbrauchsanfällig und weitgehend wirkungslos. Das Gutscheinverfahren hat nach Feststellungen der Prüfer "keine wesentliche Entlastung auf dem Arbeitsmarkt bewirkt". In den Jahren 2002 bis 2004 führte dem Bericht zufolge nur etwa jeder zwölfte ausgegebene Vermittlungsgutschein zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses. Wen wundert das eigentlich? Die Arbeitsmarktpolitik in Deutschland glänzt doch vor allem durch eine schier endlose Kette von Mißerfolgen, die im krassen Gegensatz zu den vollmundigen Ankündigungen steht, die bisher noch jede Regierungspartei bgesondert hat.

3.11.06

Mehrheit der Deutschen unzufrieden mit der Demokratie

Infratest dimap fragte: "Sind Sie mit dem Funktionieren der Demokratie in Deutschland zufrieden?" Aus dem Ergebnis, 51 Prozent der Befragten gaben an, mit der Demokratie in der Bundesrepublik weniger zufrieden (38%) oder gar nicht zufrieden (13%) zu sein, macht SpiegelOnline einen Zweifel an der Demokratie an sich und stellt den Lesern die Frage: "Demokratie ein Auslaufmodell?" Nein, liebe Macher. Es sinkt das Niveau des Journalismus und das Verständnis für die Fragestellung. Mit dem Funktionieren der Demokratie in Deutschland dürfen oder sollten wohl gerade die unzufrieden sein, die von dieser Regierungsform sogar besonders überzeugt sind. Die Antworten auf die Infratest-Frage haben viel mit der Politik der letzten Jahre und der Unzufriedenheit mit der Großen Koalition in Berlin zu tun, sind aber kein Hinweis auf eine antidemokratsiche Überzeugung bei der Mehrheit der Bundesbürger.