Seitenhiebe

31.12.05

Merkel-Brief zum Jahresende eine Information?

Die Bundesregierung wehrt sich gegen den Vorwurf der Steuerverschwendung: Der als Zeitungsanzeige veröffentlichte Brief von Kanzlerin Merkel an die Bürger diene der Information, sagte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm. So so, eine Information an die Bürger. Wo steht denn die? Auch wenn ich gern erfahren hätte, warum Angela Merkel dies Land unbedingt regieren will: im Text steht das nicht. Und dass sich jemand hinstellt und sagt, dass er die Massenarbeitslosigkeit nicht akzeptiere, ist bestimmt keine 3 Mio. Euro wert. Außer den Herren vom BDI dürfte der Kanzlerin jeder zustimmen, völlig kostenlos. Was steht sonst noch da? Man will ein Sofortprogramm für höheres Wachstum und mehr Beschäftigung beschliessen. Das wievielte seit 1980 wäre das dann? Das Ergebnis dürfte das seienr Vorgänger nicht übersteigen. Und die 25 Milliarden, die das kosten soll, zahlen auch wieder die, die eh alles bezahlen. Sie, Sie und Sie. Da am Silvestertag traditionell der Regierungschef im Fernsehen zu Wort kommt, ist die Anzeigenkampagne die übliche, noch von allen bisherigen Regierungen gepflegte Geldverschwendung.

29.12.05

Bofingers Zwischenhoch

Peter Bofinger, Mitglied des Sachverständigenrats mit dem Hang zu abweichenden Ansichten, kommentiert bei FTD. Auch bei anderen Wirtschaftszeitungen hat Bofinger Konjunktur. Nach Neujahr und bis Weihnachten 2006 sind dann vermutlich wieder die Vertreter des ökonomischen Mainstreams mit uniformer Propaganda an der Reihe.

Union endeckt die Binnennachfrage

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos spricht sich für eine deutliche Steigerung der Löhne aus. Er sagte in einem Interview: "Die Menschen müssen für gute Arbeit gutes Geld verdienen und es dann auch ausgeben können." Einkommenssteigerungen seien zwar Sache der Tarifparteien, doch sollten dabei nicht allein Kosten, Shareholder-Value und Aktionärsinteressen eine Rolle spielen. Ob mit dieser 180°-Wende von Glos ein Stimmungswechsel in der Union verbunden ist, sich von der bisherigen betriebswirtschaftlichen Sicht zu lösen und verstärkt makro-ökonomisch zu denken, bleibt abzuwarten. Bisher haben CDU und CSU noch stets erklärt, den Weg der bisherigen Regierung - u. U. sogar noch verschärft - fortsetzen zu wollen. Der hatte bekanntlich zu einer massiven Abschwächung der Nachfrage geführt.

Nicht unerwartet fordert der Bundesverband Deutschen Industrie (BDI) dagegen zum wiederholten Male eine Verlängerung der Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich. BDI-Präsident Jürgen Thumann hält Deutschland für zu teuer. Eine durch Fakten kaum belegbare Behauptung. Wäre das so, würde es nämlich den hohen Außenhandelsüberschuss nicht geben. Deutschland ist Export-Weltmeister, nur der BDI will diesen Erfolg, der kaum auf zu hohen Preisen basiert, offenbar nicht zur Kenntnis nehmen. Da die bisherigen Rezepte nichts gebracht haben, will der BDI einfach die Dosis erhöhen. Eine weitere Förderung des Exports bringt für die Konjunktur und den Arbeitsmarkt aber vermutlich gar nichts.

28.12.05

Die Hartz-Reformen verpuffen ...

.. meldet das Handelsblatt. Große Teile der Hartz-Reformen verfehlen ihr Ziel, die Arbeitslosigkeit zu senken. Einzelne Teile wirken sogar kontraproduktiv. Grundlage dieser bahnbrechenden Feststellung ist eine mehrere tausend Seiten umfassende Studie, die im Auftrag der Bundesregierung erstellt wurde.

Das Geld hätte man sich wirklich sparen können. Am 16. August 2002 kündigten der damalige Bundeskanzler Schröder und der heutige Ex-VW-Vorstand Peter Hartz vollmundig an, mit den später Hartz I-IV genannten Reformen die Arbeitslosigkeit bis 2005 um 2 Mio senken zu wollen. Das Jahr 2005 ist inzwischen fast vorbei. Ein Blick auf die Arbeitslosenzahlen zeigt nun mühelos, wie entbehrlich diese Studie ist. Dass der Kontakt mit dem Volk gewöhnlich lästig ist - gebongt! Aber haben unsere Politiker seit 2002 auch keine Zeitung und keine Statistik gelesen? Der SPIEGEL titelte am 23.05.2005: "Die total verrückte Reform Hartz IV". Schon vorher hatte man in zig Artikeln quer durch den Blätterwald lesen können, dass Hartz I bis IV bei weitem nicht das bringen, was versprochen wurde.

Was also ist neu an der Erkenntnis, dass die Hartz-Reformen verpuffen?

26.12.05

Ich kenne keine Parteien mehr!

Das Jahr nähert sich dem Ende. Rückblicke haben daher Konjunktur. Weihnachten war der unsägliche Herr Köhler dran, derzeit Präsidentendarsteller der Republik mit tagespolitischen Ambitionen. Und der freut sich offenbar immer noch diebisch über den Coup mit dem getürkten Misstrauensvotum und über das Ergebnis der darauf fussenden Bundestagswahl, die bekanntlich zur Kanzlerschaft von Frau Merkel führte. Deren Politik dürfte Herrn Köhler mehr liegen, als die des Vorgängers. Obwohl der ja eigentlich fast auf Köhler-Kurs regierte. Herr Köhler beschwörte in seiner Ansprache an die lieben Landsleute - Nicht-Deutsche bleiben bei Wünschen für einen bessere Zukunft besser außen vor - wieder einmal den "Berg von Aufgaben", der vor dem Land und vor allem den Politikern liegt. Das klingt ungemein vertraut, denn die Medien trommeln ja Gleiches seit Monaten.

Aber Rettung ist nah. Denn wir haben nun endlich "eine handlungsfähige Regierung aus beiden Volksparteien". Was hatten wir eigentlich vorher? Jahrelange Regierungskrisen? Will Herr Köhler weiter an der Mär festhalten, die Regierung Schröder, deren Mehrheit 7 Jahre nicht einmal wackelte, hätte die Handlungsfähigkeit irgendwann im Jahr 2005 verloren? Die Parteien folgten Schröder doch sogar ganz brav beim konstruierten Misstrauen. Wenn Rechtsbrecher beginnen, parteipolitische Gegensätze zu überbrücken, dann ist das kein guter Ansatz, neue Wege bei der Lösung der Probleme zu gehen, Herr Präsident. Es ist allenfalls ein Zeichen dafür, wie korrupt die Nomenklatura ist, die sich diesen Staat unter den Nagel gerissen hat.

Scheinbar unsozial?

Gert G. Wagner, seines Zeichens Forschungsdirektor am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung und Professor an der TU Berlin, kommt in einem ziemlich entbehrlichen Beitrag für den Tagesspiegel zu der wirklich überraschenden Erkenntnis:

"Die Abwesenheit der Väter in der Erziehung ist übrigens ein neues Phänomen der Industriegesellschaft. Jahrtausendelang lebten und arbeiteten Familien eng zusammen, die Väter kümmerten sich auch um die Kinder. In der Bibel wird das oft an Vater-Sohn-Konflikten deutlich."

Guten Morgen, Herr Professor! Wir schreiben inzwischen das Jahr 2005, dessen Ende sich unaufhaltsam naht. Der von Ihnen als "neues Phänomen der Industriegesellschaft" endeckte Zustand dürfte damit bereits in die 6. Generation gehen - mindestens. Wer hierzu die Bibel als Beleg für den Trend benötigt, trägt zur Debatte ersichtlich nur Platitüden bei.

Zu denen paßt auch die Feststellung: "Der Transfer wird – scheinbar unsozial – für Gutverdienende höher sein als für Eltern mit niedrigem Einkommen, damit sich wieder mehr gut ausgebildete junge Leute für Kinder entscheiden."

Scheinbar unsozial? Warum fühlt sich der Vorsitzende der Sozialkammer der Evangelischen Kirche nur aufgerufen eine geplante, offene Ungerechtigkeit zum bloßen Schein umzudeuten? Wahrnehmungsprobleme?

21.12.05

BGH hebt Freisprüche im Mannesmann-Verfahren auf

Der Mannesmann-Prozess geht in die Wiederholung. Der Bundesgerichtshof hat heute die Freisprüche des LG Düsseldorf für Josef Ackermann, Klaus Esser und vier Mitangeklagte kassiert (Quelle). Das Gericht sieht in den millionenschweren Zahlungen des Jahres 2000 eine Verletzung der Treuepflicht der Genannten. In der Presse wird Klaus Tolksdorf, Richter des 3. Strafsenats am BGH, mit den Worten zitiert, Vorstände und Aufsichtsräte seien nicht "Gutsherren, sondern Gutsverwalter". Spekuliert wird über einen möglichen Rücktritt des Deutsche-Bank-Chefs Ackermann. Derzeit steht die Bank angeblich noch hinter ihrem Chef. Sie hat zur Zeit aber eindeutig ein Imageproblem. In den letzten Tagen gab es in der Branche bereits massive Kritik an der Schliessung des Grundbesitz-Invest Fonds.

Geheimdienste notwendig?

Geheimdienste seien „ein notwendiger Teil demokratischer Strukturen”. zitiert die FAZ Kanzlerin Merkel. Eine interessante Sichtweise. Verbürgt ist nämlich eher, dass Geheimdienste mit verdeckten Operationen sehr häufig den Prinzipien des demokratischen Rechtsstaates zuwider handeln. Zudem haben gerade Diktaturen besonders aktive Geheimdienste, die Teil der Machtausübung und Unterdrückung des Volkes sind. Das sollte eine in der DDR aufgewachsene Politikerin eigentlich wissen.

Über Geheimdienste nutzen Regierungen faktisch Terror als Instrument der Politik. So stürzte die CIA 1953 den iranischen Premierminister Mossadegh, unterstützte 1961 den Invasionsversuch von Exilkubanern auf Kuba um Fidel Castro zu stürzen, rechtsgerichtete Militärdiktaturen Südamerikas bei der Verfolgung und Ermordung von politischen Gegnern und 1981 bis 1990 die Contra-Guerillas gegen die Regierung von Nicaragua.

Natürlich ist damit noch nichts über deutsche Geheimdienste gesagt. Frau Merkel schränkt ihre Äußerung aber nicht auf Deutschland ein. Und Reinhard Gehlen (1902-1979), der erste Präsident des Bundesnachrichtendienstes BND, war als Leiter der Organisation Gehlen kaum über jeden Verdacht erhaben. Im November diesen Jahres mußte der Chef des Bundesnachrichtendienstes zugeben, dass in den Jahren 1993 und 1994 Journalisten im Inland durch den BND abgehört worden waren. Also im Grunde alles wie gehabt und vermutet. Geheimdienste sind „ein notwendiger Teil demokratischer Strukturen” Frau Merkel?

20.12.05

Warum trat Schröder nicht zurück?

Auf diese alte Frage versucht Der Tagespiegel eine neue Antwort. Mit einem Rücktritt im Mai 2005 wäre unter Umständen das am 8. Sep. 2005 noch kurz vor der Wahl besiegelte Gasprom Pipeline-Projekt (so) nicht zustande gekommen. Und Schröder wäre dann für seinen "Freund" Putin vermutlich recht wertlos geworden. Das Schröder nicht davon ausgehen konnte, nach der Wahl weiterhin Bundeskanzler zu sein, ist klar. Angesichts seiner Aktivitäten nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag sind Überlegungen, er hätte schon damals auf eine Position bei Gasprom gehofft oder hingearbeitet, nicht völlig unwahrscheinlich. Schröder ist im Grunde nur ein Raffke mehr in der Kette gieriger Politiker.

18.12.05

Ein bischen foltern

Bundesinnenminister Schäuble hat offenbar ein recht entspanntes Verhältnis zur Folter. Solange nicht eigene Beamte foltern, will er "Ergebnisse" aus solchen "Verhören" in Gerichtsverfahren verwenden. Derweil beklagt der SPIEGEL eine "verkürzte Debatte um Schäubles Schlagworte" und "dass eine sachliche Debatte über das Thema zurzeit kaum möglich ist." Toll! Welche Notwendigkeit besteht, sich für die Anwendung der Folter einzusetzen? Und für wen?

Vorschlag: Schäuble solange in Guantanaomo foltern lassen, bis er das Attentat an J. F. Kennedy und die Verantwortung für sämtliche Terrorakte der letzten 20 Jahre gesteht.

14.12.05

EU-Parlament auf Big Brother Kurs

Die Abgeordneten des EU-Parlaments haben heute in Straßburg mit breiter Mehrheit eine EU-Richtlinie verabschiedet, nach der eine flächendeckende Überwachung der Verbindungs- und Standortdaten erfolgt, die beim Telefonieren, SMS, E-Mailen, Websurfen bzw. jedweder Internetnutzung anfallen. Die dabei erhobenen Daten der ca. 450 Mio. EU-Bürger sollen zwischen sechs und 24 Monate lang gespeichert werden. Im Heise-Forum werden in der Diskussion zum Bericht bis auf wenige Ausnahmen fast sämtliche Nutzerbeiträge rot gefärbt. Diese Farbe dient sonst als Zeichen der Ablehnung des Beitrags durch die Nutzer.

Die EU zeigt wieder einmal, dass unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung vor allem die Grundrechte der Bürger geschleift werden sollen. Der heutigen Entscheidung waren zahlreicher Proteste von Datenschützern, Verbraucher- und Wirtschaftsverbänden, Verlegern und Journalistenverbänden vorangegangen. Die Bürgerrechtsorganisation European Digital Rights (EDRI) und andere Initiativen hatten quasi bis zur letzten Minute versucht auf die Entscheidung Einfluß zu nehmen. Nun werden wohl Gerichte darüber befinden, spätestens bei der Umsetzung in nationales Recht, ob man Bürger- und Freiheitsrechte so kassieren kann.

Pikant ist die Entscheidung auch vor dem Hintergrund, dass dem Parlament erst kürzlich im Rahmen der Big Brother Awards 2005 der Positivpreis "Defensor Libertatis" für seine Entscheidung gegen die Patentierbarkeit von Software verliehen worden war.

13.12.05

Mord in der Wertegemeinschaft

"Die neue Bundesregierung wird sich mit aller Kraft für ein enges, ehrliches, offenes und vertrauensvolles Verhältnis in der transatlantischen Partnerschaft einsetzen. Diese Partnerschaft der Wertegemeinschaft der westlichen Welt ist ein hohes - ich sage: ein kaum zu überschätzendes - Gut."
Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrer ersten Regierungserklärung am 30.11.2005

Der 51-jährige zum Tode verurteilte mehrfache Mörder Stanley "Tookie" Williams ist heute kurz nach Mitternacht Ortszeit im Gefängnis von San Quentin durch eine tödliche Injektion mit Gift hingerichtet worden. Ein letztes Gnadengesuch war erst kurz zuvor vom Gouverneur Kaliforniens, dem früheren Schauspieler Arnold Schwarzenegger, abgelehnt worden. Bericht bei Spiegel Online.

Ist staatlich organisierter Mord ein hohes, kaum zu überschätzendes Gut, Frau Merkel?

Ehrensache

Ex-Kanzler Gerhard Schröder kündigte noch gestern juristische Schritte gegen falsche Darstellungen zu seiner umstrittenen Aufsichtsratstätigkeit für Gasprom an. Er betonte, dass über seine Aufwandsentschädigung bisher nicht einmal geredet worden sei. "Für mich ist es eine Ehrensache, bei dem Pipeline-Projekt mitzumachen", sagte Schröder. Aha! Schon klar, dass wird ein reiner Freundschaftsdienst und das Büro in Berlin ist ein privater Häkel-Club, in dem der Ex-Kanzler gelegentlich eine Zigarre durchziehen will. Schließlich ist der Mann erst 61 und will weder seiner Frau auf den Wecker fallen noch die Gardinen im heimischen Wohnzimmer vollqualmen. Wirklich fürsorglich gedacht.

Für die SPD mahnte Parteichef Matthias Platzeck zu mehr Sachlichkeit und betonte, er halte Schröder "für einen völlig integeren Mann". Da hat er recht; jedenfalls dann, wenn man des Ex-Kanzlers Engagement für die Pipeline unter Inkaufnahme diplomatischen Ärgers mit Polen und den baltischen Ländern vernachlässigt.

Redensart: "Binde Dich nicht an den Fuss eines Mannes, den die Mafia versenkt".

12.12.05

Jobs in der Pipeline

Als Gerhard Schröder sich am 22. Mai 2005 überraschend für Neuwahlen aussprach, war für ihn bereits klar, dass er nach der Wahl nicht mehr Kanzler sein würde. Er wollte aber das Eingeständnis des politischen Scheiterns vermeiden und sich schnell aus der Verantwortung stehlen. Parlament und Bundespräsident waren ihm dabei gern zu Diensten. Der siebenjährige Einsatz als "Kanzler der Bosse" trägt offenbar sehr schnell Früchte, wobei Schröder die Nähe zu zwielichtigen Figuren nicht scheut (SpOn). Die Arbeit des Ex-Kanzlers soll Gerüchten zufolge jährlich mit bis zu 1 Mio Euro honoriert werden. Nicht schlecht, für einen ehemaligen Führer der ehemaligen "Arbeiterpartei". Unterdessen wird von den Genossen schon fleissig an Schröders Legende gearbeitet.

Auch der Ex-Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement bleibt nicht unversorgt: er übernimmt als Nachfolger des früheren Bertelsmann-Managers Mark Wössner mit sofortiger Wirkung ein Aufsichtsratsmandat der Dussmann AG, Berlin.

9.12.05

Harold Pinter (2)

Inzwischen gibt es eine deutsche Übersetzung der Rede Pinters anläßlich der Verleihung des Nobelpreises:

Harold Pinter – Nobelvorlesung

8.12.05

Bush und Blair Kriegsverbrecher

Der diesjährige Literaturnobelpreisträger Harold Pinter nutzte seine Rede anläßlich der heutigen Preisverleihung für eine massive Kritik an den USA. Präsident George W. Bush und sein britischer Verbündeter Tony Blair gehörten als Massenmörder vor ein Kriegsgericht, und die Vereinigten Staaten seien von einem "Gulag" von Gefängnissen überzogen. Eigentlich kein neuer Vorwurf, aber für Pinter eine willkommene Gelegenheit, das zu äußern. Wegen seiner Krebserkrankung hatten ihm seine Ärzte von der Reise abgeraten. Die Rede wurde vorher von der BBC aufgezeichnet und nach Stockholm übertragen.

zur Nobelpreisrede (Text und Video)

7.12.05

Politische Wortwahl

Das von Kanzlerin Merkel bei der gestrigen Pressekonferenz behauptete Eingeständnis der US-Außenministerin Condoleeza Rice, die USA hätten im Fall al-Masri "Fehler" begangen, wurde von der amerikanischen Seite postwendend dementiert. "Wir sind uns nicht ganz darüber im klaren, was sich in ihrem Kopf da abgespielt hat", sagte Rice.

Ein bizarrer Streit und eine entlarvende Terminilogie. Als "Fehler" werden hier verniedlichend staatlich organisierte Entführung, Verschleppung und Folter bezeichnet. Da kann man das Rechtssystem eigentlich gleich völlig abschaffen und Gewaltverbrechern aller Art für ihre "Fehler" gnädig Absolution erteilen.

5.12.05

Verschlusssachen statt Proteste

Die Regierung Schröder wußte über geheime Gefangenentransporte, Geheimgefängnisse und über planmäßigen Entführungen durch die CIA detailiert Bescheid. Die Regierung, allen voran der Hardliner und Totengräber der Demokratie Schily, war den Amerikaner zu Diensten. Grundgesetz, Menschenrechte? Was für üble Begriffe und hinderliche Regeln, wenn es gegen den internationalen Terrorismus geht. Der SPIEGEL berichtet über die deutsche Gründlichkeit beim tarnen, täuschen, Speichellecken.

Erstaunliche Erkenntnis

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) kommt in einer Studie zu einer unglaublichen Erkenntnis:
"Erwerbstätige mit höherem Einkommen betrachten ihr Nettoeinkommen ganz überwiegend als angemessen, während Erwerbstätige mit niedrigerem Einkommen ihre Entlohnung eher als ungerecht empfinden."

Wer hätte das gedacht? Mit solchen Banalitäten empfiehlt man sich in Deutschland als "größtes Wirtschaftsforschungsinstitut". Toll!

Vorratsdaten-Kompromiss ist maßlos

Dass Politiker den Bürgern misstrauen, ist nicht neu. Gesetze und Maßnahmen zur Einschränkung der Freiheitsrechte haben in Deutschland lange Tradition. Nicht erst seit gestern mischt man auch auf EU-Ebene kräftig mit, wenn es gilt umfassenden Überwachungsphantasien freien Lauf zu lassen. Völlig zurecht weist daher Thilo Weichert, Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein und gegenwärtig Vorsitzender der Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder, darauf hin, dass der von den Justizministerministern der EU erzielte "Kompromiss" bei der Speicherung von Telekommunikations-Verbindungsdaten Zeichen einer grundrechtlichen Verrohung der europäischen Justizminister ist. Und nicht nur der! Der angebliche Kompromiss ist nichts anderes, als ein Einschwenken auf die Überwachungsforderungen der Sicherheitsbehörden.

Pressemeldung des ULD

4.12.05

Verlängerung der Legislatur?

Es mehren sich die Stimmen, die sich für eine Verlängerung der Wahlperioden auf Bundesebene aussprechen. Einen entsprechenden Vorschlag machte jüngst Bundestagspräsident Lammert. Schon merkwürdig: Da hat man gerade die Wahl vorgezogen, damit sich Gerhard Schröder mit fadenscheinigen Gründen vor der Zeit aus dem Staub machen konnte, und nun trommelt man für 5 Jahre Abstand zwischen den Wahlen. Paßt den Volksvertretern etwa die häufige Beteiligung der Bürger nicht? Angeblich geht es lediglich um eine längere Einarbeitungszeit. Einarbeitung? Seit Jahren sieht man in der Politik doch die gleichen Gesichter, hört ihre ewig gleichen Floskeln. Die meisten Figuren der neuen Regierung sind uns seit Jahrzehnnten vertraut. Wer braucht da längere Einarbeitung? Und vor allem: wofür?

Die Welt schön reden

Glaubt man jüngst veröffentlichten Umfragen, so hat die Koalition aus CDU/CSU und SPD die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Das ist erstaunlich, weil nämlich kaum anzunehmen ist, dass die Wähler der jeweiligen Parteien diese Koalition gewollt haben. Angeblich würde eine Wiederholung der Wahl ähnlich ausgehen wie am 18. September 2005. Bei soviel Konstanz fällt es schwer, an eine Meinungsänderung bezüglich der Koalitionsfrage zu glauben. Am Besten liest man die zurechtgelogenen Umfragen gar nicht mehr. Der ziemlich kontourlose Matthias Platzeck, seit kurzem Vorsitzender der SPD, soll den gleichen Umfragen zufolge bei den Sympathiewerten einen Sprung nach vorn gemacht haben. Schon toll, was ein paar fernsehwirksam präsentierte Gummistiefel aus einem politischen Leichtgewicht machen können.

2.12.05

Von Tag zu Tag wird's schmutziger

"BILD" ist ein Kulturproblem meint Gerhard Herschel im Merkur

Der Naivling, ..., müßte darüber belehrt werden, daß in Deutschland eben auch christdemokratische Ministerpräsidenten an der ungeheuren Macht schmarotzen wollen, die Bild im geistigen Lumpenproletariat mit Reportagen aus den Unterhosen prominenter Zeitgenossen erwirtschaftet hat. Und daß es selbst Reaktionären wie dem – versteht sich – BamS-Kolumnisten Peter Hahne, die unsere »Spaßgesellschaft« geistig und moralisch erneuern und aufrüsten möchten, herzlich egal ist, wie pietätlos Bild mit dem Leichnam eines verhungerten Kindes umspringt und mit welcher Gehässigkeit Bild das Ansehen einer jungen Schauspielerin in der Stunde ihres ersten großen internationalen Triumphs durch das Auspetzen ihrer Vergangenheit als Aktrice in einer Handvoll pornographischer Filme zu zerstören versucht hat. Nachdem eine Jury die Schauspielerin für ihre eindringliche Darstellungskunst gelobt hatte, veröffentlichte Bild ein Foto, das die Schauspielerin beim Geschlechtsverkehr a tergo zeigte, und versah es mit der höhnischen Unterzeile: "Eindringliche Darstellung".

Recht hat er!