Seitenhiebe

31.10.06

Mitgliederschwund bei SPD und CDU

Schleswig-Holsteins regierende Großkoalitionäre müssen Federn lassen. Vor Kurzem kam es zu ersten, demonstrativen Massenaustritten von CDU-Mitgliedern im Raum Schleswig-Flensburg und nahe Segeberg. Nun tritt ein ganzer Ortsverein der SPD aus der Partei aus. Im 1430 Einwohner zählenden Eddelak (Dithmarschen) geben zum Jahreswechsel alle 19 Sozialdemokraten ihr Parteibuch zurück. Darunter sind auch der Bürgermeister und sieben Gemeinderatsmitglieder. SPD-Landesgeschäftsführer Christian Kröning wiegelt pflichtgemäß ab und bezeichnet das Geschehen als Einzelfall.

25.10.06

Unterschichtendebatte

Die SPD-Führung diskutierte am Wochenbeginn nicht über Auswege, sondern legte noch einmal nach, einigte sich auf eine neue Sprachregelung: Hartz IV habe die Armut nicht geschaffen, sondern "an die Oberfläche gebracht" (Thierse) und "den Blick auf notwendige soziale Reformen geöffnet" (Heil). Das ist, als wenn man sagt, die kürzliche Entdeckung eines toten Kindes in der Wohnung eines Bremer drogenabhängigen Vaters habe die Augen dafür geöffnet, dass man Kinder nicht in Kühlschränke legen sollte.
Michael Jäger im Freitag.

24.10.06

Warnung für alle Gesundheitspolitiker

Man muss schon aufpassen wo man spart, wenn man am Gesundheitswesen herumdoktert. Nach Erkenntnissen britischer Wissenschaftler lag die Todesrate in Krankenhäusern mit zu wenig Pflegekräften um 26 Prozent höher als in gut ausgestatteten Kliniken. Mehr beim Spiegel.

23.10.06

Schröders Erzählungen

Der Ex-Kanzler hat ein Buch geschrieben und alle reden darüber. Gelesen hat es wohl kaum einer und es erscheint durchaus fraglich, ob sich das lohnt. Wird doch in Schröders Erzählungen einer vermutlich ganz besonders glänzen: Gerhard Schröder.

Warum man sich über seine Bemerkungen zur Tagespolitik in einem Spiegel Interview erregt, kann ich nicht nachvollziehen. Ist aber eine prima Werbung! Dass die Gesundheitspolitik kein Glanzstück dieser Regierung ist und der geplante Gesundheitsfond ein bürokratisches Monstrum, konnte man auch anderswo lesen oder hören. Auch dass die Gewerkschaften den Basta-Kanzler Schröder nicht gerade ins Herz geschlossen hatten, ist bekannt. Die Behauptung Schröders, diese hätten ihn stürzen wollen, ist daher nicht sehr gewagt. Los werden wollten ihn vermutlich viele, denn Wahlen waren mit ihm kaum noch zu gewinnen. Nur dürfte es an den realen Möglichkeiten gefehlt haben, denn der Kanzler ist in dieser Republik nicht 'mal eben zu stürzen. Das bestellte Mißtrauen sollte daher diesem Angriff nicht zuvorkommen, sondern vor allem davon ablenken, dass die Politik von Schröder, Clement, Müntefering und Co. gescheitert war. Schröder war klar, dass er mit der ungebrochen hohen Arbeitslosigkeit, am Erfolg auf diesem Gebiet wollte er sich gemäß der Aussagen von 1998 messen lassen, den fragwürdigen Reformen und einer Partei, der das Wahlvolk wie in NRW in Scharen weglief und gegen die Medien keine Chancen haben würde, die Bundestagswahlen 2006 zu gewinnen. Also hat Schröder sich beizeiten vom Acker gemacht und eiferte damit dem von ihm derbe gescholtenen Lafontaine nach.

17.10.06

Keiner will es gewesen sein

Beim Thema Deutschlands neue "Unterschicht" glänzen Politiker vor allem durch Heuchelei. Franz Müntefering z. B. findet, dass es in Deutschland keine Schichten gibt. Müntefering muss die letzten 50 Jahre wohl in einem ganz anderen Land gelebt haben. Volker Kauder entdeckt plötzlich eine "Verwahrlosung in Teilen der Gesellschaft", vergisst dabei aber völlig die Verwahrlosung der politischen Kaste zu erwähnen, die für die da unten ständig neue Belastungen bereit hält, während den Wohlhabenden in der Gesellschaft zum x-ten Mal die Steuern gesenkt werden.

Vor allem will keiner an der Situation schuld sein. Waren die Politiker also nicht gewarnt, dass sich durch die Hartz-IV Gesetze die Zahl der Armen drastisch erhöhen würde? Sie waren es! Hat wirklich kein Experte je darauf hingewiesen, dass durch die Begünstigung von Billig-Jobs bis hin zu 1-Euro/Std. reguläre Arbeitsstellen abgebaut werden? Natürlich war das bekannt und es ist auch oft genug gesagt worden. Aber auf dem Ohr sind die verantwortlichen Politiker von CDU/CSU, SPD, FDP und den Grünen bis heute völlig taub. Und das die Überschüsse der BA u. a. durch massive Kürzungen bei den Ausgaben für die Qualifizierung von Arbeitslosen erzielt werden, wird der Arbeitsminster Müntefering vermutlich ebenso bestreiten wie die Existenz einer Unterschicht.

16.10.06

SPD entdeckt die Unterschichten

SPD-Chef Kurt Beck vermisst den unbedingten Aufstiegswillen, den er selbst stets hatte, und die die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung stellt fest, dass mittlerweile acht Prozent der Menschen in Deutschland zu einer neuen gesellschaftlichen Unterschicht gehören. Was Kurt Beck und große Teile der SPD nicht sehen bzw. hören wollen ist, dass die Sozialdemokratie mit der Regierung Schröder und der Gesetzgebung der letzten Jahre (Hartz IV und Co.) diese neue Armut selbst massiv gefördert hat und dies in der großen Koalition auch weiterhin tut. Kurt Beck will dieser Entwicklung nun angeblich vor allem mit beitragsfreien Kindergärten und dem Ausbau von Ganztagsschulen entgegentreten. Offenbar hält er die Angesprochenen für blöd. Als ob es das drängenste Problem der "Neuen Unterschicht" sei, dass die Kinder beim malochen nicht betreut werden.

13.10.06

Gekaufte Politik

Verteidigungspolitiker Johannes Kahrs, SPD-Abgeordneter des Wahlkreises Hamburg-Mitte, wurde von Rheinmetall finanziell erheblich gefördert. Laut Rheinmetall-Sprecher Peter Rücker unterstützt das Unternehmen nur mit "kleineren Beträgen" die Untergliederungen der Parteien direkt vor Ort, da, wo Rheinmetall tätig ist. Dumm nur, dass in Kahrs' Wahlkreis gar keine Rheinmetall-Tochter angesiedelt ist. Link

Roland Berger optimiert Hartz IV

Geht es nach dem Willen der Unternehmensberatung Roland Berger, sollen künftig nur noch "effiziente" Erwerbslose zwischen 25 und 40 Jahren mit abgeschlossener Ausbildung umfassende Beratung und Betreuung durch die ARGE-Arbeislosenverwaltungen erhalten. Dies geht aus einem internen Arbeitspapier der Kölner ARGE hervor, das dem Erwerbslosen Forum Deutschland vorliegt. Die Kölner Arbeitslosenverwaltung gilt als ein Modellprojekt der Bundesagentur für Arbeit. Die Unternehmensberatung erstellt dort derzeit Konzepte zur "Optimierung von Geschäftsprozessen", um sie später auf weitere Hartz IV-Behörden zu übertragen. Eine Handlungsmaxime des Papiers lautet: "Treiber statt Getriebener".

Aus der Linkszeitung

Man kann gar nicht so viel essen, wie man kotzen möchte.

12.10.06

Merkel und Beck lassen sich von INSM instrumentalisieren

Die Bundeskanzelerin Merkel (CDU), Kurt Beck (SPD) und der Politkasper Guido Westerwelle werben für die Kampftruppe des Sozialabbaus, die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Unglaublich, wie wenig Distanz die Chefs der beiden Regierungsparteien und die amtiernde Kanzlerin halten. Und dass sich auch ein Sozialdemokrat wie Kurt Beck vor den Karren der neoliberalen INSM spannen läßt, zeigt, wie schlimm es um diese Partei inzwischen bestellt ist. Link gefunden in den Kommentaren bei Telepolis Ermahnungen an die sozial Verwundbaren.

Fragen Sie den Taxifahrer

Wenn sich Politiker, Unternehmer oder Wissenschaftler für einen Ausbau des Niedriglohnsektors aussprechen, also für die Erhöhung des Drucks auf Arbeitnehmer, für Subventionen in Form von Kombilohnmodellen usw., dann ist er da, der Spruch von den "Geringqualifizierten". Nun liest man beim Focus, dass mehr als drei Viertel der Geringverdiener in Deutschland eine abgeschlossene Berufsausbildung oder sogar einen akademischen Abschluss haben. Das wissen gut ausgebildete Techniker, Ingenieure, Wissenschaftler und andere, die sich seit langem vergeblich um Arbeit bemühen, natürlich schon lange. In den Medien wurde aber bisher überwiegend der oben skizzierte Eindruck verbreitet, wer gut ausgebildet sei, hätte in dieser Gesellschaft kein Problem mit entsprechender Arbeit. Wer also den Fachkräftemangel beklagt und Spezialisten benötigt, sollte vielleicht einfach den Kellner oder Taxifahrer fragen, was er gelernt hat.

11.10.06

Überschüsse bei den Sozialversicherungen

Gestern meldeten die Medien unter Bezug auf das Statistische Bundesamt, dass die gesetzlichen Sozialversicherungen, also Kranken-, Pflege-, Unfall- und Rentenversicherung, sowie die Bundesagentur für Arbeit im ersten Halbjahr 2006 einen Finanzierungs­überschuss von 8,5 Milliarden Euro erwirtschaftet haben. Der hohe Überschuss resultiert vor allem aus höheren Beitragseinnahmen durch die Umstellung des Beitragseinzugs von nachträglicher Abführung der Beiträge auf Vorauszahlung der Beiträge zum Jahresbeginn sowie der Zunahme der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten. Da fragt man sich doch, ob die Politik nicht besser daran getan hätte, sich endlcih einmal um die Schaffung versicherungspflichtiger Arbeitsstellen zu kümmern, als Geisterdebatten um Demografie zu führen, die angebliche Gebärzurückhaltung von Akademikerinnen zu beklagen, das Renteneintrittsalter zu erhöhen, den Druck auf Hartz-IV-Empfänger zu erhöhen usw. Die Meldung bei Destatis.

1.10.06

Wo ist denn nun die große Wende am Arbeitsmarkt?

Der Arbeitsminister und die Regierung bejubeln den Trend auf dem Arbeitsmarkt. Im September 2006 wurden 134.000 Arbeitslose weniger registriert als im Vormonat. "Aus der positiven Serie kann die Wende am Arbeitsmarkt werden", sagt Franz Müntefering. Aber stimmt das? Joachim Jahnke hat genauer hingesehen und folgert: Bei dieser Sinkrate würde es 6 Jahre dauern, um die Massenarbeitslosigkeit auch nur von derzeitigen 4,2 Mio auf 3 Mio herunterzuholen.

Managementfehler sind Hauptursache für Firmenpleiten

Wenn ein Unternehmen Pleite geht, folgt die Auflösung oft nach dem gleichen Muster: Die Manager gehen mit hohen Abfindungen nach Hause, die Arbeitnehmer gehen zur Bundesagentur für Arbeit. Dabei sind es einer Studie zufolge in der Regel die Manager, die die Misere zu verantworten haben.

Wer hätte das gedacht? Für den Spiegel kommt die obige Erkenntnis, dass das Management eines Unternehmens nicht nur für Erfolge sondern auch den Misserfolg verantwortlich ist, offenbar überraschend.